THEOLOGIE FÜR DIE GEGENWART: Was beschäftigt Lehrerinnen und Lehrer der Theologie? In dieser Reihe in der Zeitschrift "Christ in der Gegenwart" erzählen Theologinnen und Theologen aus verschiedenen Fachrichtungen und Hochschulen, was sie persönlich und im Beruf bewegt.

In der aktuellen Ausgabe 14/2024 vom 31.03.2024 beantwortete die an der PTH Brixen lehrende a.o. Professorin für Fundamentaltheologie Veronika Weidner den Frageboben.

weidner-veronika-cigWas ist Ihr Lieblingsort?

Momentan befindet er sich im Naturpark Schlern-Rosengarten in den westlichen Dolomiten (zum Glück Teil des UNESCO-Welterbes), die ich mir in der Freizeit erwandere.

Woran forschen Sie gerade?

Inwiefern der Glaubensbegriff im Profanen und Religiösen analog verwendet wird; welche destruktive und vor allem auch konstruktive Schubkraft der Zweifel im Glauben entwickeln kann; wie Tugendethik und -erkenntnistheorie mit feministischen Anliegen verknüpfbar sind.

Mit welcher Person aus Gegenwart und/oder Geschichte würden Sie gern einmal diskutieren? – Worüber?

Mit Hannah Arendt über die Natalität des Guten sowie die Banalität des Bösen – und was sie uns angesichts des erschreckenderweise weltweit immer lauter werdenden Beifalls für Rechtspopulismen und –extremismen raten würde zu tun.

Meine aufregendste Bibelstelle …

Ist und bleibt vermutlich der Johannes-Prolog – kunstvoll gewebt, voller geistesgeschichtlich bedeutsamer Anspielungen und vor allem theologisch prägnant.

Mein „Herzens“-Gebet ...

Das Teresa von Ávila zugeschriebene oder vielleicht für sie geschriebene "Nada te turbe, nada te espante, todo se pasa, Dios no se muda, la paciencia todo lo alcanza, quien a Dios tiene, nada le falta, sólo Dios basta" ("Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken, alles vergeht, Gott bleibt dieselbe, geduldiges Ringen lässt alles gelingen, wer Gott hat, der fehlt nichts, Gott nur genügt").

Was ist für Sie das drängendste theologische Problem der Gegenwart?

Wie es uns gelingt, christlich bedeutsame Inhalte und Praktiken in eine auch außertheologisch verständliche Sprache zu übersetzen und ihre Relevanz für aktuelle Debatten wie gesellschaftliche Herausforderungen aufzuzeigen; von den Erkenntnissen anderer Wissenschaften zu lernen und sich gleichzeitig differenziert dazu zu positionieren

Welchen Atheisten schätzen Sie?

Ob er als waschechter Atheist durchgeht oder sich selbst so verstanden hat, sei dahingestellt – die verbale Wucht der Religionskritik Friedrich Nietzsches geht unter die Haut, ihr Potential zur konstruktiven Selbstkritik des Christentums rüttelt wach, die Ausmalereien der Folgen schwindenden Glaubens an Gott irritieren nach wie vor.

Wann waren Sie zuletzt im Kino? In welchem Film?

Vergangenen Spätsommer habe ich mir in Paderborn den Film Barbie angesehen, der patriarchale Strukturen und Denk- wie Verhaltensweisen fantastisch verdeutlicht und wider Erwarten – oder war es nicht gerade genau so zu erwarten? – bei den Preisverleihungen nahezu leer ausgegangen ist.

Und im Theater?

Ödipus, frei nach Sophokles in einer Bearbeitung von Felix Krakau, ein Gastspiel des Düsseldorfer Schauspielhauses im Forum Brixen im Oktober 2023 – mich hat vor allem das bei diesem Auftritt paritätisch besetzte Chor-Duo beeindruckt, das die Geschehnisse in heutigem Vokabular mit Witz und Scharfsinn kommentierte.

Wer ist Ihr Lieblingsdichter/schriftsteller?

Ich mag Poesie von Hilde Domin, Mary Oliver, Erich Fried, Sylvia Plath und Emily Dickinson, aber auch die belletristische Schreibe von Paul Auster, Rafik Schami, Astrid Lindgren, Michael Ende, George Orwell oder Hermann Hesse.

Welche Musik hören Sie gern?

Indie Rock wie etwa Florence + The Machine, Folk Rock à la The Lumineers, interkulturell angereicherter Pop wie der bei Jain, Etta James’ RnB, Klassisches von Frédéric Chopin, Pyotr Tchaikovsky oder Bach – zurzeit auch Vogelgezwitscher.

Welches nicht-theologische Buch lesen Sie momentan?

Zur Vorbereitung für eine Tagung mit P. Kyle Stanford lese ich seine Monographie "Exceeding Our Grasp. Science, History, and the Problem of Unconceived Alternatives". Darüber hinaus studiere ich fleißig Telis Marins
"Nuovissimo Progetto italiano. Corso di lingua e civiltà italiana A1-A2".

Und welches theologische Werk?

Den von Bernhard Nitsche herausgegebenen Sammelband "Zwischen Theismus und Pantheismus. Historisch systematische Skizzen zur Panentheismusfrage".

Wer ist Ihr theologisches Vorbild?

Ich tue mich eher schwer, eine Lichtgestalt hervorzuheben. Die Gefahr der überhöhenden Idealisierung und unkritischen Mimesis erscheinen mir zu hoch.

Besondere Qualitäten, die ich enorm schätze:

offene Denkungsart, epistemische Demut, unerschütterliche Lernbereitschaft, Präzision in der Ausdrucksweise, Klarheit in der Argumentation, dialogisches Engagement, Bemühen um wohlwollende Interpretationen, Wagemut zum entschiedenen Widerspruch, Freude am pointierten Nach-Fragen, Suche nach je besserem Verstehen, Kreativität im Verbinden von bislang disparat Erscheinendem.

Welcher Kirchenbau, welcher Kirchenraum gefällt Ihnen am besten?

Romanische Kirchen haben es mir seit jeher sehr angetan – je schlichter, desto schöner!

Was – wo – war Ihr schönstes Gottesdiensterlebnis?

Als Studentin habe ich mit einer Freiburger KHG in unserem wunderbar klapprigen Bus das erste Mal Taizé besucht und dort eindrücklich erlebt, wie Ökumene in der Praxis gelingen kann und Glaube als Vertrauen lebbar ist.

Wovor haben Sie Angst?

Vor Gleichgültigkeit, lähmenden Ohnmachtsgefühlen und selbstverschuldeter Stagnation.

Worauf freuen Sie sich?

Auf das Frühlingserwachen und den vor der Tür stehenden Südtiroler Sommer, freie Zeit für meine Forschungsprojekte und kulinarisch-kulturelle Entdeckungsreisen in Italien.

(c) CiG